Stellungnahme des VBE NRW zum Entwurf Alltagsintegrierte Sprachbildung und Beobachtung im Elementarbereich

22.04.2014

Grundlagen für NRW

Schreiben des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18.03.2014


Allgemein

Der Verband Bildung und Erziehung begrüßt ausdrücklich den Wechsel von dem Feststellungsverfahren Delfin 4 hin zur alltagsintegrierten Sprachbildung und Beobachtung im Elementarbereich. Die Kompetenz der pädagogischen Fachkräfte im Elementarbereich zur Feststellung der Sprachbildung und des Sprachförderbedarfes eines jeden Kindes ist in den Mittelpunkt zu stellen.
Neben der wesentlichen Rolle und Verantwortung der Eltern für die Bildungsentwicklung und –begleitung ihrer Kinder tragen die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen und die Tagespflegepersonen, als erste außerfamiliäre Bezugspersonen, eine hohe Verantwortung für die Entwicklung und Begleitung der Kinder und das Gelingen von Bildungswegen.
Der Wechsel von der Momentaufnahme der Sprachbildung hin zur kontinuierlichen alltagsintegrierten Sprachbildung und Dokumentation ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher und aus Sicht des VBE der richtige Schritt.
Die Sprache der Kinder entwickelt sich unterschiedlich, in verschiedenem Tempo, Kinder haben verschiedene Voraussetzungen in ihrem familiären und sozialen Umfeld, viele wachsen mit einer anderen Muttersprache auf und sie erwerben die deutsche Sprache als Zweitsprache.

Mit diesem Entwurf geht das Land NRW aus Sicht des VBE daher inhaltlich den richtigen Weg, indem nun verbindliche Grundlagen für die alltagsintegrierte Sprachbildung und die entwicklungs- und prozessbegleitende Dokumentation für die Bildungsarbeit in den Tageseinrichtungen gelegt werden.

Auch die intensive Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte zur Sicherung der Nachhaltigkeit begrüßt der VBE, da durch die klaren Vorgaben zur Dokumentation verbunden mit den sich weiterentwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnisse die Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte steigen. Da das Land NRW plant, mit der zweiten Stufe des KiBiz die Sprachbildung in den Kindertageseinrichtungen zu stärken, wird dies nicht ohne weitere Qualifizierung gehen.

Die im Entwurf genannten Kriterien für die Umsetzung in die Praxis stützt der VBE. Die genannten Verfahren sind zum Teil bereits in der Praxis bekannt oder angekommen und teilweise auch umgesetzt, die Praxistauglichkeit, die Qualitätskriterien und -merkmale von BaSik bleiben abzuwarten, da es erst zum Kindergartenjahr 2014/15 zur Verfügung steht.


Struktur- und Rahmenbedingungen

Allerdings ist mit diesem Entwurf aus Sicht des Verbandes Bildung und Erziehung nur die inhaltliche qualitative Ausgestaltung gelungen wie
- verbindliche Grundlagen für NRW auf der Basis von wissenschaftlichen Ansätzen zu schaffen;
- die Praxis des pädagogischen Alltags  und Methoden in den Tageseinrichtungen zu stärken;
- die pädagogischen Fachkräfte, ihr Wissen, ihre Haltung und ihre Sichtweise auf das Kind in den Mittelpunkt zu stellen;
- klare Aussagen zur Beobachtung und Dokumentation und dem dazugehörigen Materialen zu machen;
- die Sichtweise auf die Eltern und deren bedeutende Rolle für die Bildungsentwicklung ihrer Kinder zu schärfen...

Der VBE vermisst die Strukturbedingungen für eine gute Umsetzung in die Praxis: denn wie sieht es mit den Rahmenbedingungen und der Verknüpfung mit anderen Projekten zur Sprachbildung aus?

1. Indem das Land NRW der alltagsintegrierten Sprachbildung einen so hohen Stellenwert beimisst, kann es nicht sein , dass dies sich nicht in den Arbeitsbedingungen in den Kindertageseinrichtungen niederschlägt. Der VBE lehnt zusätzliche Aufgaben, die das pädagogische Personal weiter belasten, ab, sofern keine zusätzlichen finanziellen und personellen Ressourcen in jede Kindertageeinrichtung fließen.

2. Die Qualifizierungsmodule sind gut ausformuliert, allerdings fehlen aus Sicht des VBE die tatsächlichen Angaben zur Realisierung. Der VBE fordert klare Aussagen zur Implementierung und Begleitung sowie zum vorgesehenen zeitlichen Rahmen in die Praxis.

3. Die Fort- und Weiterbildungen für die pädagogischen Fachkräfte sind wichtig und richtig, allerdings im realen Kindertageseinrichtungsalltag kaum realisierbar, da in der KiBiz-Finanzierung keine Mittel ausdrücklich zur Fortbildung ausgewiesen sind und keine Vertretungskräfteregelung für Fortbildungstage enthalten ist. Der VBE fordert eine Fortbildungsvereinbarung für den Elementarbereich, die entsprechende Mittel ausweist und eine Vertretungsregelung vorsieht.

4. Sprachbildung ist Beziehungsarbeit. Die pädagogischen Fachkräfte müssen in ihrem Arbeitsalltag Raum und Zeit dafür haben. Dies ist durch den aktuellen Erzieher – Kind Schlüssel nicht gegeben. Der VBE fordert die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur qualitativen Ausgestaltung des Erzieher-Kind Schlüssels (siehe Viernickel Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung…) umzusetzen.

5. Der VBE sieht die Umsetzung in die Praxis gefährdet, da die Vor- und Nachbereitungszeiten für die Durchführung der Beobachtungen und Dokumentation, sowie die Schlussfolgerungen für die Arbeit nicht ausreichen. Sie sind in den Personalschlüsseln mit 10% ausgewiesen, aber in der Praxis bei weitem nicht ausreichend. Der VBE fordert für eine qualitative Bildungs- und Erziehungsarbeit 30% der Arbeitszeit als Vor- und Nachbereitungszeiten auszuweisen.

6. Die Zusammenarbeit Kindertageseinrichtungen – Grundschulen ist in diesem Entwurf nur in den Grundlagen der alltagsintegrierten Sprachbildung benannt. Da das Ministerium auf dieser Basis eine „Bildungsvereinbarung“ schließen will, ist dies aus Sicht des VBE zu wenig. Die Bildungsgrundsätze für NRW waren von 0-10 Jahren geplant. Daher muss aus Sicht des VBE die Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule und die Zusammenarbeit in den Kriterien für die Umsetzung in die Praxis weiter ausgeführt werden. Gleichzeitig müssen hier sowohl im Elementar- als auch im Primarbereich Zeitanteile für die Kooperation in die Systeme fließen.

7. Die pädagogischen Fachkräfte haben neben der alltagsintegrierten Sprachbildung noch vielfältige weitere Aufgaben in der ganzheitlichen Bildung und Begleitung von Kindern. Sie stehen den Kindern nicht nur punktuell als Entwicklungsbegleiter zur Seite.

8. Auch in NRW sind viele Kindertageseinrichtungen an dem Bundesprojekt frühe Chancen beteiligt. Dem VBE fehlt in diesem Entwurf die Bezugnahme zum Zwischenstand und Erfahrungswert im Bundesprojekt, in dem ebenfalls die alltagsintegrierte Sprachförderung im Mittelpunkt steht und hier wurden den Einrichtungen eine halbe Fachkraft für Sprachbildung zur Verfügung gestellt.

9. Die Anforderungen an die Tagespflege müssen hier geschärft werden, wenn sie als gleichwertiges Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren gewertet wird.


Fazit

Der VBE würdigt die inhaltliche Ausgestaltung des Entwurfs, allerdings fehlt für ein qualitatives Gelingen die tatsächliche Anwendung von Qualitätsdimensionen. Beschrieben wurde die Orientierungsqualität, die Prozessqualität zum Teil, die Wirkungen und der Kontext wurden mit eingebunden und die wesentlichen Merkmale der Strukturqualität ausgeblendet, so dass die Ergebnisqualität gefährdet ist. So können aus Sicht des VBE keine qualitative Sprachbildung und deren Implementierung in die Praxis gelingen.


Dortmund, 03.04.2014
Udo Beckmann
Vorsitzender

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