Stellungnahme des VBE NRW zum Entwurf AO-SF

03.03.2014

Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF)

Schreiben des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.01.2014


Allgemein

Es ist folgerichtig, Aufbau und Gliederung der AO-SF abgestimmt auf das 9. Schulrechtsänderungsgesetz vom 05. November 2013 zu ändern.
Generell ist es dennoch kritisch zu sehen, dass das Initiativrecht bei der Feststellung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung in der Regel in der Hand der Eltern liegt. Die Lehrkräfte in den Schulen arbeiten täglich professionell mit den Schülerinnen und Schülern, und es sollte weiterhin möglich sein, dass diese Lehrkräfte ebenso, ohne besondere Hürden, einen Antrag auf Feststellung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung stellen können.
Prinzipiell ist festzuhalten, dass eine derartige, wie im Entwurf vorgelegte AO-SF ihre Berechtigung haben kann, wenn die entsprechende und ausreichende Fachkompetenz und Personalressource an allen (vorrangig Grund-) Schulen vorhanden wäre. Dies ist derzeit (und auf absehbare Zeit) leider nicht gegeben.
Im Übrigen verweise ich auf unsere Stellungnahme zum 9. SchRäG NRW.


Anmerkungen zu den einzelnen Paragraphen der Verordnung

§ 1 (5)
Mit Inkrafttreten der neuen AO-SF müssen die erwähnten Unterrichtsvorgaben erscheinen. Diese sind in einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren zu entwickeln.

§ 3 (3)
Die zwingende Verknüpfung durch das Wort „und“ bei der Beschreibung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Sprache ist abzuschwächen. Sowohl eine nachhaltige Störung des Sprachgebrauchs, als auch das erhebliche subjektive Störungsbewusstsein oder Beeinträchtigungen in der Kommunikation reichen für diesen Förderschwerpunkt aus. Das Wort „und“ suggeriert eine rechtlich verbindliche Verknüpfung und erschwert damit die notwendige Unterstützung.

§ 8
Zu begrüßen ist die Anwendung der Unterscheidung in Primar- und Sekundarstufe auch für die Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Weiterhin begrüßenswert ist die Möglichkeit, dass auch die Förderschulen im Bereich LE und ESE Bildungsgänge der Sek II anbieten können. Wichtig ist die Festlegung von elf Jahren für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Die Flexibilisierung der Schuleingangsphase auch in den Förderschulen und der dargestellte Entscheidungsweg ist ein gutes Signal in Richtung der Eigenverantwortlichkeit von Schulen und ermöglicht eine flexible Schulorganisation vor Ort.

§ 10 (2) 
Den Eltern sollte zumindest auch im Falle des Förderschwerpunktes Sprache die Möglichkeit gegeben werden, den Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens bei der Förderschule stellen zu können.

§ 11 (1) 
Bei den aufgeführten Beispielen wird der Förderschwerpunkt Sprache ausgeblendet. Dieser ist in der Regel zielgleich und geht nicht mit einer Selbst- oder Fremdgefährdung einher. Aus dieser Sicht sollte das Verfahren im Förderschwerpunkt Sprache im Ausnahmefall auch über die Schule zu eröffnen sein. Sicherlich setzt gerade in diesem Förderschwerpunkt die Förderung in der Regel schon in der Früherziehung ein, doch ist dies nicht der Regelfall, sodass eine Ausnahmeregelung zu treffen ist. Weiterhin sollte als nächster Ausnahmetatbestand die fehlende sonderpädagogische Ressource an der Schule gelten. Es kann nicht sein, dass Unterstützungsbedarfe der Kinder nicht angemessen bedient werden, nur weil Personal fehlt oder Eltern nicht die notwendige Sachkenntnis haben.

§ 11 (3)
Die Eröffnung des Verfahrens im Förderschwerpunkt Lernen nach dem 6. Schuljahr auszuschließen, wie in der Begründung dargelegt, negiert die alltägliche Erfahrung der Schulen, dass es immer Kinder geben wird, die keine Grundschulbiographie in NRW erlebt haben und erst in der Sekundarstufe I in die weiterführende Schule aufgenommen werden. Hier muss eine Ausnahmeregelung getroffen werden und sowohl der Schule wie auch den Eltern die Möglichkeit der Eröffnung des Verfahrens in diesem Bereich weiterhin gegeben werden.

§ 12  
Besonders im Hinblick auf die Entlastung der betroffenen Kinder und ihren Eltern ist es zu begrüßen, dass eine schulärztliche Untersuchung nicht mehr in allen Fällen erforderlich ist. Allerdings sollte geklärt sein, wann es erforderlich ist, diese durchzuführen. Die im Absatz 2 genannten Beratungsangebote sind zu spezifizieren. Weiterhin muss auch in der Schulaufsicht sonderpädagogische Expertise vorhanden sein, damit diese zu einer fundierten Entscheidung über einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung kommen kann.

§ 14 (3) 
Es ist nicht nachvollziehbar, warum in diesem Bereich die Entscheidungskompetenz bei der oberen Schulaufsicht zu liegen hat. Hier kann der Verdacht aufkommen, dass es sich um eine politisch-motivierte Deckelung handelt, die ja auch mit dem Landesrechnungshof begründet wird, und nicht um pädagogisch sinnvolle Entscheidungen im Sinne der Schülerinnen und Schüler. Zudem stellt sich die Frage, ob die Feststellung einer intensivpädagogischen Förderung auch eine Auswirkung auf Ressourcen hat.

§ 15  
Der Vergleich des § 1 Absatz 2 AO-GS mit dem § 1 APO-Sl macht deutlich, dass die Schulformen der Grundschule und der Sekundarstufe I ungleichmäßig belastet werden. In diesem Punkt muss für die Grundschulen, an denen Gemeinsames Lernen eingerichtet ist, wiederum deutlich eine Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen gefordert werden. Es kann nicht sein, dass für die Schulen der Sekundarstufe I eine Aufnahmekapazität für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung festgelegt werden kann, während es für die Grundschulen diese Möglichkeit nicht gibt. Die Lehrkräfte an den Grundschulen, an denen Gemeinsames Lernen eingerichtet ist, sind bereits jetzt in zu hohem Maße gefordert.

§ 16 (5) 
Hier muss neben der Schulaufsicht auch die Klassenkonferenz nach § 16 (1) in die Entscheidung einbezogen werden. Gerade bei dem Übergang von der Primarstufe in die weiterführende Schule muss auf die Professionalität und Expertise vor Ort gebaut werden.

§ 16 (6) 
Im Sinne einer bruchlosen Bildungsbiographie und der bestmöglichen individuellen Förderung der Kinder ist eine „Empfehlung“, die die Grundschule an die Eltern gibt ein zu schwaches Instrument. Hier müssen gesetzliche Regelungen getroffen werden, die einen systemischen und pädagogisch sinnvollen Austausch der bisherigen schulischen Maßnahmen im Sinne eines gelingenden Übergangs ermöglichen.

§ 20 (6) 
Für die Klarheit im schulischen Bildungsgang ist es richtig, Aussagen zur sonderpädagogischen Förderung und zum Bildungsgang wie bisher schon in die Zeugnisse aufzunehmen.

§ 20 (7) 
Die Verpflichtung der Schulen, individuelle Förderpläne auch für die Schülerinnen und Schüler aufzustellen, die auf Grund einer Behinderung oder wegen einer Lern- oder Entwicklungsstörung besondere Unterstützung benötigen, ohne dass dies förmlich in einem Verfahren festgestellt worden ist, ist bereits jetzt gängige Praxis in den Grundschulen und den weiterführenden Schulen, die bisher im GU tätig waren. Für die neueinsteigenden Schulen ist diese verbindliche Regelung zu begrüßen, damit die Kinder keinen Bruch in ihrer Lernbiographie erfahren.

§ 41 (4) 
Siehe Anmerkung zu § 1 (5)

 

26.02.2014

Udo Beckmann
Vorsitzender

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